Meeresschutz und Fischerei

Wir brauchen ambitionierte Schutzziele, um unsere Ozeane zu retten

Unsere Ozeane machen das Leben auf diesem Planeten möglich – sie produzieren mehr als die Hälfte des Sauerstoffs, den wir atmen, und spielen eine entscheidende Rolle bei der Aufnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre und wirken damit als Puffer gegen den Klimawandel.

Sie helfen bei der Regulierung unserer Wettermuster und sind Nahrungs-, Einkommens- und Erholungsquelle für Menschen auf der ganzen Welt. Die Ozeane beherbergen auch über 500.000 bekannte Arten, die eines der vielfältigsten Ökosysteme der Erde darstellen. Aber die Artenvielfalt der Meere steckt in einer Krise. Nach Ansicht vieler Expert:innen befinden wir uns mitten im 6. Massensterben, das mit alarmierender Intensität und Geschwindigkeit stattfindet. In den letzten 50 Jahren haben sich die Populationen mariner Arten halbiert. Mehr als ein Drittel der Meeressäuger weltweit sind vom Aussterben bedroht. Wissenschaftler schätzen, dass in den nächsten 20 Jahren etwa 70 bis 90 % aller Korallenriffe verschwinden werden.

Unsere Ozeane und Meereslebewesen sind mehr denn je unter Stress. Dies ist auf die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels, aber auch auf die unerbittliche Ausbeutung durch Überfischung, Offshore-Bohrungen und die wachsende „Blue Economy“ sowie auf Meeresmüll und industrielle und landwirtschaftliche Verschmutzung zurückzuführen.

Ein Jahrzehnt für den Meeresschutz

Um das zu ändern, müssen wir dringend mutig handeln und die Bedürfnisse unseres Planeten über den Profit stellen. Es wird besonders entscheidend sein, was wir in den nächsten zehn Jahren tun.

Wissenschaftler:innen und NGOs fordern weltweit führende Politiker:innen auf, bis 2030 mindestens 30 % der Weltmeere zu schützen. Derzeit sind weniger als 8 % der Ozeane von Schutzgebieten bedeckt. Das Ziel von 30 % wird durch umfangreiche wissenschaftliche Forschungen unterstützt, die zeigen, dass wir die Meerespopulationen wieder auffüllen und die Fähigkeit der Ozeane stärken können, als Kohlenstoffsenken zu fungieren, indem wir dem Leben in den Ozeanen Raum zur Erholung geben, was wiederum den gesamten Planeten mehr widerstandsfähig gegen die schlimmsten Folgen des Klimawandels machen wird.

Eine Erhöhung des Anteils von Meeresschutzgebieten würde auch eine größere Ernährungssicherheit sowie wirtschaftliche Vorteile bringen. Trotz der verbreiteten Auffassung, dass der Meeresschutz auf Kosten der Fischer geschieht, zeigen wissenschaftliche Untersuchungen und praktische Fallstudien, dass Fischer vom sogenannten „Spillover-Effekt“ profitieren können. Wenn sich die Meerespopulationen innerhalb von Meeresschutzgebieten erholen, ziehen sie außerhalb ihrer Grenzen und in nahegelegene Fischgründe. Eine aktuelle Studie legt nahe, dass der Schutz von 30 % der Ozeane die jährliche globale Fänge um 10 % erhöhen würde.

Natürlich muss der Meeresschutz durch Maßnahmen ergänzt werden, die eine Verlagerung von destruktiven Fangmethoden wie der Grundschleppnetzfischerei zu selektiveren und schonenderen Fangmethoden ermöglichen. Auch Kleinfischer können als Partner eine entscheidende Rolle beim Meeresschutz spielen – sie sollten aktiv in die Ausweisung, Überwachung und Bewirtschaftung von Schutzgebieten eingebunden werden.

Ein „Pariser Moment“ für die Biodiversität


Eine wachsende Zahl von Regierungen erkennt die Notwendigkeit eines besseren Schutzes unserer Ozeane an. Das bedeutet, dass 2021 ein „Pariser Moment“ für die Biodiversität sein kann. Der große Meilenstein wird der COP15-Gipfel bzw. das 15. Treffen der Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt im Oktober dieses Jahres sein. Auf dem Gipfel wird erwartet, dass die Regierungen der Welt einen Rahmen für die Zeit nach 2020 verabschieden, der die Weichen für globale Maßnahmen zur Biodiversität in den nächsten 10 Jahren stellt.


Mit der im Mai letzten Jahres veröffentlichten EU-Biodiversitätsstrategie 2030 hat sich die Europäische Kommission bereits zum 30 %-Ziel verpflichtet. Das 30%-Ziel wurde auch von mehr als 50 Ländern auf der ganzen Welt befürwortet, die sich der sogenannten High Ambition Coalition angeschlossen haben. Bemerkenswert ist, dass sich die USA nach Jahren des Rückschritts in der Umweltpolitik ebenfalls dem Ziel verpflichtet haben, und zwar durch eine im Januar dieses Jahres von Präsident Biden unterzeichnete Durchführungsverordnung. Dieser politische Wille spiegelt sich auch im Entwurf des globalen Biodiversitätsrahmens für die Zeit nach 2020 wider, obwohl der Entwurf nicht festlegt, dass sich das 30 %-Ziel auf 30 % Schutzgebiete sowohl an Land als auch auf See bezieht.

Der Meeresschutz steht in der Diskussion über Schutzgebiete meist nicht im Vordergrund, weshalb es wichtig ist, dass der Rahmen klarstellt, dass die Weltmeere im Einklang mit dem wissenschaftlichen Konsens geschützt werden. Strenger Schutz mit wissenschaftlicher Unterstützung Neben dem 30 %-Ziel ist die Frage, was dieser Schutz mit sich bringen würde, noch umstrittener. Die Schutzgebiete reichen von streng geschützten „No-Take-Zonen“, in denen nur minimale menschliche Aktivitäten erlaubt sind (wie das Sammeln wissenschaftlicher Daten) bis hin zu Gebieten, die nur die schädlichsten menschlichen Aktivitäten ausschließen. Die Forschung hat durchweg gezeigt, dass die strengeren Schutzniveaus den höchsten Schutznutzen bringen und dass der Anstieg der Meerespopulationen in streng geschützten Gebieten größer ist als in Gebieten, in denen extraktive Aktivitäten noch erlaubt sind. Verbotszonen können bis zum 6-fachen des Fischreichtums im Vergleich zu ungeschützten Gewässern vervielfachen.

Mehr Infos und Kampagnenmaterial hier