Handel und Globale Gerechtigkeit

TiSA, das neue Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen – kein Multilateralismus, keine Transparenz

TiSA, das „Trade in Services Agreement” oder auch „Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen“, ist eines der wichtigsten derzeit verhandelten Abkommen. Vergleichbar in seinem Ausmaß ist das Abkommen zur „Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft“ (kurz: TTIP) zwischen der EU und den USA. Am 8. Juli beginnt die zweite Verhandlungsrunde zwischen der EU und 23 anderen Ländern (darunter die USA, Türkei, Kanada, Mexiko, Australien und Japan), um den Handel mit Dienstleistungen zu liberalisieren. Damit werden nationale Märkte für ausländische InvestorInnen geöffnet, die teilweise sogar ihren eigenen ArbeiterInnen mitbringen können. Nicht nur die Gefahr der Liberalisierung öffentlicher Güter wie Abfallentsorgung, Bildung und Gesundheit oder anderer Dienstleistungen wie Datenschutz ist problematisch. Das Abkommen wird deshalb so große Auswirkungen haben, weil es außerhalb der Welthandelsorganisation (WTO) verhandelt wird und somit den Weg ebnet für zukünftige plurilaterale statt multilaterale Abkommen.

 

TiSA – eine Gefahr für den Multilateralismus

Diese 21 WTO Mitgliedsstaaten, die sich selbst „Really Good Friends of Services” (Deutsch: „Sehr gute DienstleistungsfreundInnen“; kurz: RGF) nennen, wollen sich auf weitere Standards im Handel mit Dienstleistungen einigen. Bislang ist dieser im „General Agreement on Trade in Services” (Deutsch: „Generelles Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen“; kurz: GATS) geregelt, ein Grundlagendokument der WTO. Weil die Reform des GATS derzeit nicht vorangeht, wollen die RGF TiSA durchdrücken, obwohl sie den Handel mit Dienstleistungen zumeist in bilateralen Freihandelsabkommen regeln. Indem GATS nun auf plurilaterale Weise reformiert werden soll, werden alle anderen Länder ausgeschlossen, wobei sie das Abkommen aber Auswirkungen auf sie haben wird. Die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) sind gegen jegliche Verhandlungen außerhalb der WTO. Zugleich sind sie diejenigen Staaten, in denen der Dienstleistungssektor stark wachsen wird – weshalb es wichtig wäre, dass sie einem neuen Abkommen zustimmen.

Die RGF wollen TiSA so aushandeln, dass in das WTO-Regelwerk aufgenommen werden kann, wenn ihm weitere Staaten beitreten. Das bringt rechtliche Fragen mit sich, da noch unklar ist, wie eine rechtliche Koexistenz von TiSA und GATS möglich ist. Dennoch will diese Koalition der Willingen zeigen, dass wenn sie ein Abkommen wollen, es auch ein Abkommen geben wird – statt Wege zu suchen, international verbindlichen Regeln in einem multilateralen Rahmen auszuhandeln.

 

TiSA – eine Gefahr für die Transparenz

Außerhalb der WTO zu verhandeln, heißt auch, dass die Verhandlungen noch intransparenter ablaufen. Anfang 2012, haben die RGF inoffizielle und geheime Verhandlungen begonnen. Zu dem Zeitpunkt hatte die Europäische Kommission noch nicht mal ein Mandat der Mitgliedsstaaten! Ohne irgendwelche Änderungen akzeptierten die 27 HandelsministerInnen später das von der Kommission vorgelegte Mandat. Obwohl die Kommission dazu verpflichtet ist, eine Folgenabschätzung zu machen, bevor sie Verhandlungen aufnimmt, hat sie bislang keine vorgelegt. In seine Plenarsitzung im Juli 2013 einigte sich das Europäische Parlament ohne die Stimmen der Grünen auf eine gemeinsame Stellungnahme; der Grüne Entschließungsantrag wurde abgelehnt. Wie immer bei Handelsverhandlungen werden die Dokumente nicht  öffentlich zugänglich sein und die Zivilgesellschaft wird keine Möglichkeit haben, Einfluss auf das Ergebnis zu nehmen.

 

TiSA – eine Gefahr für öffentliche Güter

Im Vergleich zu GATS wird TiSA den Handel mit Dienstleistungen weiter liberalisieren. Anstatt dass sich Staaten zur Liberalisierung spefizischer Subsektoren mittels eine „Positivliste“ verpflichten, sollen Staaten Dienstleistungen gezielt ausschließen. Diese „Negativliste“ bedeutet, dass alles, was nicht auf der Liste steht, liberalisiert wird! Mit der so genannten „Stillhalteklausel“ können Staaten den Status der Liberalisierung der genannten Sektoren beibehalten, aber nicht wieder stärker regulieren. Generell gilt, dass wenn eine Dienstleistung liberalisiert wurde, sie nicht wieder reguliert werden kann („Ratchet Clause“).

Unter anderem wird das Abkommen insbesondere die Liberalisierung finanzieller Dienstleistungen, digitalem Handel, staatlichen Unternehmen, Telekommunikation und Postdienstleistungen angehen. Auch Dienstleistungen in den Bereichen Energie und Umwelt sind wahrscheinlich eingeschlossen. Zugleich hat die Kommission verlauten lassen, dass audiovisuelle Dienstleistungen nicht verhandelt werden sollen.

 

TiSA – eine Gefahr für die Demokratie

Eine weitere Liberalisierung vom Handel mit Dienstleistungen begrenzt nationalen politischen Handlungsspielraum. TiSA kann zum Beispiel die Bemühungen, Dienstleistungen zu rekommunalisieren, erschweren. Lokale oder nationale Regulation der Märkte wird immer begrenzter möglich sein. Meistens haben diese Art von Abkommen zudem viele Schlupflöcher in Bezug auf öffentliche Güter. So gefährdet TiSA beispielsweise Dienstleistungen, die in öffentlich-privater Hand sind.

TiSA – keine Verhandlungen ohne Protest!

Während die Verhandlungen des Handelsabkommens zwischen den USA und der EU gerade von einer öffentlichen Debatte begleitet wird, hat TiSA bisher kaum Schlagzeilen gemacht. Das öffentliche Bewusstsein über das Ausmaß und die Auswirkungen von TiSA ist bisher sehr gering. Das macht es leicht für die VerhandlungsführerInnen – die planen, die ersten Entscheidungen bei der WTO-Konferenz im Dezember 2013 in Bali vorzulegen. Wir Grüne im Europäischen Parlament sind absolut gegen dieses Abkommen. Aber alleine können wir es nicht stoppen.

TiSA wird verhandelt zwischen der EU, USA, Kanada, Mexiko, Japan, Chile, Chinesisch Taipeh, Costa Rica, Hong Kong China, Island, Israel, Kolumbien, der Koreanischen Republik, Neuseeland, Norwegen, Pakistan, Panama, Paraguay, Peru, Schweiz und Türkei

(Erstellt am 4. Juli 2014, regemäßig aktualisiert.)