Handel und Globale Gerechtigkeit

Neues zu Handels- und Entwicklungspolitik: Edition November 2015

Bericht zum Dienstleistungsabkommen TISA auf Januar verschoben

In der letzten Woche tagten die TiSA-Verhandler*innen wieder in Genf. Den Vorsitz hat in der aktuellen Verhandlungsrunde die Europäische Union. Das Verhandlungsteam der EU kündigte davor an große Fortschritte machen zu wollen, mit der Zielsetzung, dass alle teilnehmenden Staaten ihre Liberalisierungsangebote verbessern.

Parallel wird im Europäischen Parlament auch der TiSA-Bericht verhandelt –das zieht sich in die Länge. Deshalb wurde die Abstimmung im Ausschuss auf den Januar verschoben.

Investorenschutz wird durch die Hintertür eingeführt: Das Freihandelsabkommen mit Vietnam


Am 2. Dezember 2015 hat die Europäische Kommission ein Freihandelsabkommen mit der Sozialistischen Republik Vietnam unterzeichnet. Das ist doppelt problematisch. Zum einen beinhaltet das Abkommen den umstrittenen Investorenschutz. Zum anderen ist die Menschenrechtslage in Vietnam desolat.

Das Freihandelsabkommen mit Vietnam beinhaltet ein reformiertes Kapitel zum Investorenschutz. Doch die Reform ändert daran leider nichts Grundlegendes: Immer noch haben ausländische Konzerne mehr Rechte als inländische Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger. Immer noch beinhaltet das System eine Anreizstruktur, welche Entscheidungen des Schiedsgerichts zugunsten von Investoren begünstigt. So können die Schiedsrichter zum Beispiel vor und nach ihrer Tätigkeit für das Schiedsgericht wieder als internationale Anwälte für die Unternehmen tätig sein. Zusätzlich können Unternehmen zwar klagen, aber beklagt werden können sie nicht. Je mehr Unternehmen klagen, desto häufiger bekommen die Schiedsrichter die lukrativen Tagessätze für ihre Tätigkeit - ein weiterer Konstruktionsfehler der Reform.

Gerade für sogenannte Entwicklungsländer sind solche Schiedsgerichte problematisch, denn sie erschweren es Regulierungen zum Schutze der Umwelt oder von Arbeiter*innen durchzusetzen. Wegen Investorenklagen gegen ebensolche Regulierungen müssen die Regierungen mit hohen Schadensersatzsummen rechnen - und verzichten in der Folge von vornherein auf Umweltschutz oder Arbeiter*innenrechte. So wurde zum Beispiel Ecuador von einem Investorenschiedsgericht dazu verurteilt 2,3 Milliarden Euro an eine Ölfirma zu zahlen, durch Umweltauflagen waren ihr Gewinne entgegen. Das ist so viel Geld, wie das Land jährlich für den Gesundheitshaushalt bereitstellt.

Ein zusätzliches Problem ist die Menschenrechtslage in Vietnam. Es gibt keine freie Presse, keine unabhängigen Parteien, keine unabhängigen Gewerkschaften und keine unabhängige Zivilgesellschaft. Das Beispiel des Nachbarlandes Kambodscha zeigt, dass nach einem  Handelsabkommen mit der EU der Landraub ('Landgrabbing') zunimmt. Der Investorenschutz hat hier eine verschlimmernde Wirkung. Denn ein internationaler Investor kann seine Landrechte gegebenenfalls über die internationale Paralleljustiz durchsetzen. Die vertriebenen Menschen haben gar keine Rechte und erst recht niemanden, der sie durchsetzt - weder national noch international.

Aus all diesen Gründen habe ich gefordert, dass die Kommission eine menschenrechtliche Folgeabschätzung für das Abkommen mit Vietnam durchführen muss. Die Europäische Kommission verweigert dies, obwohl sie dazu auch von der europäischen Ombudsfrau, Emily O'Reilly, aufgefordert worden ist. Wer Menschenrechte sagt, muss diese auch ernst meinen, sie dürfen nicht nur als Dekoration für ein Freihandelsabkommens dienen.

Zur Analyse des neuen Investorenschutzes, findet ihr hier einen Artikel von Prof. Gus van Harten. Meine Pressemitteilung zum Thema findet ihr hier.