Handel und Globale Gerechtigkeit

Globale Politik Gerecht Gestalten - Gastbeitrag in der FR

Skas Gastbeitrag zum Welttag der Sozialen Gerechtigkeit in der Frankfurter Rundschau, 20. Februar 2016.

Faire Handelspolitik reduziert das Risiko von Krisen und Kriegen. Die EU muss deshalb ihre Prioritäten ändern.

Im Januar stellte die Nichtregierungsorganisation Oxfam in einer Studie fest, dass Reichtum global äußerst ungleich verteilt ist, 62 Menschen besitzen so viel, wie die ärmere Hälfte der gesamten Menschheit. Gleichzeitig kritisierte Oxfam, dass die Regeln der Globalisierung für die Supereichen maßgeschneidert sind. Handelsregeln, die zum Beispiel europäischen Großunternehmen nutzen, führen auf der anderen Seite zu Armut und dazu, dass vielen die Perspektive für ein lebenswürdiges Auskommen genommen wird. Nicht nur am heutigen globalen Tag der sozialen Gerechtigkeit ist es eine einfache Feststellung, dass eine gerechte Gestaltung der Globalisierung dazu führen muss, dass Menschen in ihren eigenen Ländern eine Perspektive finden.

Die Europäische Union ist der größte Exporteur der Welt – mit ihrer Handelspolitik gestaltet sie die Globalisierung. Durch die Handelspolitik könnte sie positive Akzente für mehr Gerechtigkeit, für die Einhaltung von Menschenrechten und für das Recht auf Entwicklung setzen, das tut sie aber nicht. Die EntscheidungsträgerInnen in der europäischen Handelspolitik agieren nach der Maxime, dass Handelsverträge in erster Linie europäischen Großunternehmen Vorteile bringen sollen. Doch auf der anderen Seite stehen die BäuerInnen und die Bevölkerung in ärmeren Ländern, die nicht mehr in der Lage sind ihre eigene Bevölkerung vor der Übermacht der europäischen Exportmaschine zu schützen.

In der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ war im Dezember die Geschichte des ghanaischen Tomatenbauern Kojo Ebeneku zu lesen. In Ghana wird fast jedes Essen mit Tomaten gekocht und die lokalen Tomatenbauern konnten gut von ihrer Ernte leben. Doch der ghanaische Kleinbauer bekommt zunehmend Konkurrenz. Die europäische Agrarpolitik wird immer stärker auf den Export ausgerichtet. Im Handelsabkommen zwischen der EU und den Westafrikanischen Staaten wurde festgeschrieben, dass Ghana seine Zölle für Tomatenprodukte aus der EU stark verringern muss.

Gegen die subventionierten Produkte aus Europa sind Kojo Ebeneku und auch viele weitere Landwirte in der Region nicht konkurrenzfähig. Sie verlieren ihre Absatzmärkte und damit ihre Lebensgrundlage. Schlussendlich müssen sie ihr eigenes Stück Land verlassen und in den Städten ein schlechteres Leben antreten.

Handel trägt zur Ungleichheit bei. Aber es geht auch anders. Es ist möglich, eine Handelspolitik so zu gestalten, die zu einer gerechteren Verteilung von Wohlstand führt. Dazu brauchen wir aber grundlegend neue Prinzipien für dieses Politikfeld. Zurzeit setzt die EU auf Abkommen, die auf gegenseitiger Marktöffnung basieren – auch mit armen Ländern. Das Ziel dieser rücksichtslosen Wirtschaftsförderung von europäischen Unternehmen steht im Konflikt mit den Entwicklungsinteressen der Länder des Südens.

Die Europäische Kommission sollte deshalb in ihren Abkommen mit den Ländern des Südens nicht einfach die Marktöffnung erzwingen. Vielmehr muss ein Ansatz verfolgt werden, der den Ländern des Südens die Möglichkeit gibt, ihre eigenen Wirtschaftsinteressen zu verfolgen und Industriepolitik zu betreiben. Denn wenn Tomatenbauern, wie Kojo Ebeneku, auch nur eine kleine Perspektive haben, dann werden sie ihr Land nicht verlassen.

Weiterhin müssen wir die „Zoll-Eskalation“ beenden. Die Vorgabe, dass importierte Waren mit höherem Verarbeitungsgrad auch mit höheren Zöllen belegt werden. Das führt dazu, dass zum Beispiel nur nicht verarbeiteter Kaffee in die Europäische Union importiert wird, denn durch die höheren Zollsätze für verarbeitete Produkte lohnen sich weitere Produktionsschritte in den Erzeugerländer nicht. Die Kaffeebohnen werden dann in Hamburg und nicht in Accra verarbeitet. Dies reduziert wertvolle und qualifizierte Arbeitsplätze in den Ursprungsländern und ist ein weiteres Instrument, dass ärmere Länder ihre Industrien nicht aufbauen können.

Nicht zuletzt müssen die Industrienationen aufhören über Menschenrechte zu verhandeln. Trotz des von den Vereinten Nationen anerkannten Recht auf Nahrung, fordern viele industrialisierte Staaten innerhalb der Welthandelsorganisation die Abschaffung von Nahrungsmittelprogrammen in armen Ländern wie Indien. Diese seien nicht marktkonform. Ernährungssicherheit zugunsten der Wirtschaftsförderung der Agrarindustrie im reichen Norden aufzugeben ist inakzeptabel. In der Europäischen Handelspolitik muss klar sein: Menschenrechte haben gegenüber internationalem Handel Vorrang und müssen geschützt werden. Maßnahmen, die die Menschenrechte sichern, müssen immer zulässig sein.

Globalisierung muss politisch gestaltet werden. Die Politik kann aktiv eingreifen und durch gezielte Maßnahmen globale Gerechtigkeit fördern. Der Europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten fehlt es nicht an Instrumenten, Menschenrechte global umzusetzen und das Recht auf Entwicklung gerade für BürgerInnen armer Länder endlich zu verwirklichen. Vorauf es ankommt ist eine Verschiebung der politischen Priorität und ein Durchsetzen des Entwicklungsinteresses in allen Politikfeldern.

Eine richtige, faire Handelspolitik kann die Entwicklungsziele und Menschenrechte unterstützen. Das ist nicht nur ein normativer Anspruch an globale Politik ist, sondern sie liegt im eigenen Interesse der Länder des Nordens. Denn wo Menschenrechte eingehalten werden und wirtschaftliche Entwicklung vor Ort gestärkt wird, da kommt es weniger zu Krieg und Krisen.