Handel und Globale Gerechtigkeit

Die Transatlantische Handels- und Investmentpartnerschaft (TTIP) – was das ist und was wir wollen

Seit dem 8. Juli 2013 laufen Verhandlungen für eine Transatlantische Handels- und Investmentpartnerschaft (eng. TTIP) zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika. Die EU-Kommission will die Verhandlungen innerhalb von zwei Jahren abschließen und sieht das Abkommen als ein Weg aus der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise. Als Grüne sehen wir viele kritische Punkte – intransparente Verhandlungen, der Glaube an eine wachstumsbasierte Ökonomie als Rettung aus der Krise oder die Lockerung von VerbraucherInnenschutz, um nur einige zu nennen.

Im Folgenen erhaltet ihr einen allgemeinen Überblick zum TTIP und unserer Kritik. Weitere Artikel zu einzelnen Aspekten und aktuellen Entwicklungen findet ihr hier.

 

EU-Verhandlungspositionen und Bewertung aus Grüner Sicht

Basierend auf den Papieren der EU-Kommission zur Verhandlungsposition haben wir diese in einem Briefing zusammengefasst und aus Grüner Sicht bewertet. Hier gehts zu dem Briefing aus dem November 2013. 

 

Derzeitiger Stand der Verhandlungen

Ende Mai hat das Europäische Parlament dem Mandat des Abkommens zugestimmt (in nicht-bindender Form). Leider konnten wir Grüne uns weder mit unserer eigenen Resolution, noch mit unseren Änderungsanträgen durchsetzen. Das einzig Positive war, dass sich das Parlament für den Ausschluss des kulturellen und audiovisuellen Sektors ausgesprochen und damit ein klares Zeichen für sein kulturelles Engagement für Europa gesetzt hat. Allerdings will die Kommission die Verhandlungen möglichst breit führen und der Rat könnte sich dafür entscheiden, audiovisuelle Dienstleistungen verhandeln zu wollen.

Die Verhandlungen sollen schon bis Ende 2015 beendet sein, um möglichst wenig Einfluss von Außen zuzulassen. Aber auch ohne die Einbeziehung von Zivilgesellschaft und Parlamenten scheint der Zeitplan angesichts der vielen Divergenzen unwahrscheinlich.

 

Unterschiedliche Norm- und Standardregeln

Die EU und die USA haben bereits kaum Zollbarrieren. Was den Handel zwischen den beiden „einschränkt“ sind eher unterschiedliche Standards, vor allem in Bezug auf Landwirtschaft und Nahrungsmittel. Es ist klar, dass wir Grüne keine hormonelle Behandlung von Tieren, lockerere Regelungen der Genmodifizierung oder die hochgefährliche Methode des Fracking zulassen. Es kann zudem sein, dass ACTA – das wir bislang erfolgreich verhindern konnten – nun durch die Hintertür verabschiedet werden soll. Wir Grüne stehen aber weiterhin für hohe Datenschutzstandards in Europa. Auch sehen wir eine Gefahr für Standards im VerbraucherInnenschutz und Gesundheitsbereich. Zudem glauben wir nicht an den Mythos, dass durch das TTIP mehr Arbeitsplätze geschaffen werden sollen, da mit der Einführung anderer Freihandelsabkommen sogar das Gegenteil eingetreten ist. Wir werden uns – neben einer Fülle anderer Punkte – dafür einsetzen, dass die Arbeitsbedingungen in der EU nicht gelockert werden.

 

Mangel an demokratischer Kontrolle und Transparenz der Verhandlungen

Unser größter Kritikpunkt ist, dass die Verhandlungen geheim stattfinden und weder das Europäische noch nationale Parlamente oder zivilgesellschaftliche Organisationen Einfluss nehmen können. Der charakteristische Mangel an demokratischer Kontrolle und Transparenz solcher Verhandlungen ist für uns nicht akzeptabel. Wir setzen uns darum dafür ein, dass Parlamente und die Zivilgesellschaft in den Prozess eingebunden werden. Dafür sind allerdings offen zugängliche Dokumente die Grundlage.

 

Globale Standards setzen ohne alle Länder einzubeziehen

Undemokratische Verhandlungen sind das eine Problem. Ein anderes ist, dass das TTIP globale Handelsstandards setzen will – von Produktsicherheit, VerbraucherInnenschutz, technischen Standards (z.B. für Medizin oder Internet) und Nahrungssicherheit zu Finanzregulierung usw. Nicht nur werden Parlamente und die Zivilgesellschaft aus dem Verhandlungsprozess ausgeschlossen. Die TTIP-Verhandlungen berücksichtigen auch nicht die bereits stattfindenden Verhandlungen für Handelsstandards auf internationaler Ebene und dass diese zu recht lange brauchen – schließlich gibt es genügend Kontroversen, die dabei ausgehandelt werden müssen. Das TTIP wird demnach nicht nur Auswirkungen auf die EU und die USA haben, sondern auch auf die Standardsetzung aller zukünftigen Handelsabkommen. Hiervon werden insbesondere Länder des globalen Südens betroffen sein. Des Weiteren wird ein transatlantisches Handelsabkommen Handelsströme mit diesen Weltregionen reduzieren. Näheres zu den möglichen Auswirkungen auf Länder des globalen Südens findet sich hier

 

Eine Zukunft der WHO wird unwahrscheinlicher

Darüber hinaus wird das TTIP sich auf die derzeitigen Reformverhandlungen der Welthandelsorganisation (WHO) auswirken. Im Moment ist deren Ende nicht absehbar, da europäische Staaten und die USA keine gemeinsame Position finden können. Es ist klar, dass es eher darum gehen muss, die WHO so zu reformieren, dass Länder des Globalen Südens gleichberechtigt mitreden können. Mit dem TTIP aber müsste sich die WHO de facto an die Standards aus dem Abkommen halten. Damit unterminiert das TTIP den Multilateralismus und begünstigt die Dominanz der EU und der USA in der ökonomischen und politischen Sphäre. Auch vor diesem Hintergrund wird das TTIP sich auf andere Länder auswirken> und nicht nur auf die EU Mitgliedsstaaten und die USA.

 

Investor to State Dispute Settlement

Ein anderer sehr problematischer Aspekt des TTIP ist das Investor to State Dispute Settlement (ISDS). Diese intransparenten, geheim vereinbarten Konfliktbeilegungen enden meist zugunsten von Unternehmen und unterminieren dabei ökologische und soziale Politiken. Damit müssten die EU-Mitgliedsstaaten (aber auch die USA) mit Kompensationszahlungen an Unternehmen rechnen, die Regierungen verklagen, die demokratische Entscheidungen zugunsten ihrer Bevölkerungen treffen. Auf unsere Initiative hin hat das Europäische Parlament im Mai entschieden, dass ausländische InvestorInnen nicht mehr Rechte als inländische haben sollen. Auch wenn das ein wichtiger Schritt ist, lehnen wir diese Art der Konfliktbeilegung weiterhin ab und glauben, dass Unternehmensklagen vor nationalen oder europäischen Gerichten entschieden werden müssen. Aus diesem Grund sollte das TTIP keine Klausel zum ISDS enthalten.

 

Was also tun?

Als Mitglieder des Europäischen Parlaments haben wir sehr wenige Möglichkeiten, Einfluss auf die Verhandlungen zu nehmen. Nichtsdestotrotz werden wir jede Chance nutzen, um unsere Positionen stark zu machen. Zuallererst insistieren wir auf transparente Verhandlungen – wir wollen Zugang zu allen Dokumenten und detaillierte Informationen von der Kommission sowie die Einbeziehung von Zivilgesellschaft und Parlamenten in die Verhandlungen. Inhaltlich setzen wir uns – unter anderem – für den Ausschluss des ISDS ein sowie für einen starken VerbraucherInnen- und Datenschutz. Darüber hinaus machen wir deutlich, dass wir keine globalen Standards durch das TTIP wollen, sondern dass diese multilateral vereinbart werden müssen.

 

Externe Beiträge:

WDR Monitor (06.06.2013)