Handel und Globale Gerechtigkeit

CETA: Offener Brief an Premierminister Trudeau

In einem offenem Brief haben Ska, Reinhard Bütikhofer und die Europäische Grüne Partei ihre Ablehnung zu CETA begründet. Die Beziehung zu Kanada ist eng und die gemeinsamen Ziele und Werte vielfältig: Eine offene, solidarische Gesellschaft. Klimaschutz, Gleichberechtigung und vieles mehr. Aber all das kann nicht dazu führen, dass die Grünen CETA zustimmen.

Warum? Das erläutern die Autoren im folgenden Brief:

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The Right Honourable Justin Trudeau, Prime Minister of Canada
Office of the Prime Minister
80 Wellington Street
Ottawa, ON K1A 0A2
Brüssel, den 10. Februar 2017


Sehr geehrter Herr Premierminister,


wir freuen uns sehr, Sie im Herzen der europäischen Demokratie, dem Europäischen
Parlament, zu begrüßen. Die Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Kanada gehört zu den besten und erfolgreichsten in der Geschichte transatlantischer Beziehungen.
Und Ihr Besuch ehrt uns. Wir bringen Ihrem Land und Ihrer Regierung großen Respekt entgegen. Wir schätzen sehr, was Ihre Regierung für Flüchtlinge, Vielfalt und Frauenrechte getan hat. Wir können und sollen bei der Gestaltung der Globalisierung zusammenarbeiten, um Armut auszumerzen, den Klimawandel zu bekämpfen, Innovation und Inklusion voranzubringen und unsere Demokratien zu schützen. Unsere Beziehungen wollen wir stärken – gerade jetzt, wenn wir in der in den transatlantischen Beziehungen beunruhigende Entwicklungen beobachten.


Aber all dies ist kein Grund für uns, für CETA zu stimmen. Warum nicht?


Die Verhandlungen waren zu Beginn nicht transparent. Das Verhandlungsmandat der
Europäischen Kommission wurde sehr spät veröffentlicht, erst im Dezember 2015. Erst in jüngerer Zeit hatte die Öffentlichkeit eine Chance, enger eingebunden zu werden. Wir gehen davon aus, dass Sie mit uns übereinstimmen, dass wir die Interessen von Bürgern, Verbrauchern, Unternehmern und Arbeitnehmern ausbalancieren müssen. Wir nehmen auch an, dass Sie zustimmen würden, dass - gäbe es die Chance auf einen Neustart der Verhandlungen - beide Seiten dazu beitragen könnten, ehrgeiziger nach einer solchen Balance zu suchen.
Offenkundig können wir die CETA-Verhandlungen nicht noch einmal von vorn beginnen, also bleibt uns nur festzustellen, dass es zahlreiche Mängel gibt, die vermieden hätten werden können.


Werden wir als europäische Grüne Ja zu CETA sagen, nur weil es keine Alternative gibt?


Nein! Wir wollen mit unserem Nein zeigen, dass es in der Handelspolitik noch immer alte Denkmuster gibt, die verschwinden müssen. Insbesondere die Privilegien für internationale Investoren, die dank der Investorenschutzregeln bestehen, sind ungerechtfertigt. Wir sind auch tief besorgt über die sogenannten „ratchet“- und „standstill“-Klauseln, die erstmals festlegen, dass Privatisierungen unumkehrbar sind, während der öffentliche Sektor weiter privatisierbar ist. Wir sind nicht davon überzeugt, dass Märkte grundsätzlich besser funktionieren als der öffentliche Sektor. Die Erfahrung ist hier auf unserer Seite.
Also halten wir an unserem Nein fest, weil wir signalisieren wollen: Es muss weitere
Fortschritte geben.
Wir wissen, dass Kanada bei manchen Aspekten möglicherweise zu einer Verbesserung des Abkommens bereit gewesen wäre, etwa bei der Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten oder bei Umweltschutzauflagen. Aber die Europäische Kommission hat die Chance verpasst.
Weil CETA ein gemischtes Abkommen ist, muss es von allen 28 EU-Mitgliedstaaten
ratifiziert werden, vorausgesetzt, der Europäische Gerichtshof stuft es nicht als inkompatibel mit EU-Recht ein. So lange dieser Ratifizierungsprozess nicht abgeschlossen ist, gelten die Investitionsschutzregeln nicht. So haben beide Seiten, Kanada wie auch die EU, Zeit zu überdenken, wie man ein faires Investitionsschutzsystem aufbaut. Dieses sollte große Unternehmen nicht bevorzugen, sondern es Arbeitnehmern und Umweltschützern ermöglichen, sich Unternehmen zur Brust zu nehmen. Wir zählen auf Sie.


Wir sagen ja zum Handel mit Kanada und ja zu einer offenen Welt. Wir hoffen, dass Ihr Land und die EU es schaffen, sich in der Zukunft erfolgreich zusammenzutun, um ein freies und faires multilaterales globales Handelsumfeld zu schaffen, das sich sowohl protektionistischem Nationalismus als auch Privilegien für Großunternehmen entgegenstellt.


Hochachtungsvoll verbleiben wir,

Ska Keller

Phillippe Lamberts

Reinhard Bütikhofer

Monica Frassoni

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