Europa

Weltbank will umstrittenen Oder-Ausbau überprüfen

Foto: ideengrün

Die Weltbank wird das Projekt des umstrittenen Ausbaus der Oder überprüfen. Das wurde bei einem Gespräch von Bündnisgrünen aus Deutschland und Grünen aus Polen mit der Europa-Direktorin der Weltbank Gallina A. Vincelette am Dienstag in Brüssel bestätigt.

An den Beratungen in der Brüsseler Weltbank-Zentrale nahmen die Brandenburger Bündnisgrünen Ska Keller (Mitglied des Europaparlamentes) und Sahra Damus (Mitglied des Brandenburger Landtages) sowie der Vorsitzende der polnischen Grünen (Partia Zieloni) Przemyslaw Slowikund Beata Bilska (Vorstandsmitglied für Internationale Angelegenheiten, Partia Zieloni) teil, zudem zehn Vertreter*innen der Weltbank, u.a. aus Polen und Washington. Zuvor haben die Brandenburger Bündnisgrünen ein 135-seitiges Dossier an die Weltbank übergeben, das eine mögliche Zweckentfremdung der für Hochwasserschutz bewilligten Mittel verdeutlicht. Eine Förderung der Weltbank sowie die Kofinanzierungen von EU und Entwicklungsbank des Europarats sind nur für den Hochwasserschutz, nicht aber für den verkehrlichen Ausbau des Grenzflusses zwischen Deutschland und Polen bewilligt worden.

„Wir sind sehr erfreut, dass die Weltbank das Projekt sorgfältig überprüfen will“, sagt die Frankfurter Landtagsabgeordnete Sahra Damus. Die Weltbank bestätigte, dass die polnische Regierung Bestrebungen geäußert habe, das Projekt auf die Güterschifffahrt auszuweiten, sie aber strikt bei Maßnahmen zum Hochwasserschutz bleiben möchten. Den Ausbau der Oder, auch mit Staustufen, hatte bspw. der stellvertretende polnische Infrastrukturminister Marek Grobarczyk Ende August auf Twitter bekräftigt.

„Wenn der Oder-Ausbau wie geplant umgesetzt wird, verschlechtert sich der Hochwasserschutz. Durch die Verengung und Vertiefung fließt der Fluss schneller und die Hochwasserwelle steigt sogar an“, warnt Damus. Es müssen sogar Kompensationsmaßnahmen ergriffen werden, um den Anstieg wiederum einzudämmen, etwa Baggerungen. Dies ergibt sich aus der Stromregelungskonzeption der Bundesanstalt für Wasserbau, die dem Ausbau zugrunde liegt.

Die Direktorin der Weltbank erläuterte, dass aufgrund des Klimawandels eine Wasser- und Klima-Analyse durchgeführt werde und für das Projekt ein engmaschiger Umweltbericht eingeführt wurde (monatlich, statt sonst üblich jährlich). Damus fordert: 

„Das gnadenlose Tatsachen-Schaffen auf der polnischen Seite der Oder bevor über die deutschen Widersprüche gerichtlich entschieden war, die Buhnen-Bauarbeiten, die während oder nach der Oder-Katastrophe im Sommer nicht wenigstens ausgesetzt wurden, und die Verweigerung eines gemeinsamen Abschlussberichtes nach der Oder-Katastrophe zeigen zusammen allzu deutlich, dass es der aktuellen polnischen Regierung eben nicht um einen gemeinsamen deutsch-polnischen Blick auf den Fluss, das Ökosystem und die Menschen am Fluss geht. Von daher ist es leider nur folgerichtig, dass die Brandenburger Landesregierung Klage einreicht. Dies ist in Europa ein einmaliger Vorgang. Leider muss nun erstmals ein deutsches Bundesland gegen einen EU-Mitgliedsstaat klagen, weil im Dialog keine Lösung zu finden war."

Die Brandenburger Abgeordnete im EU-Parlament Ska Keller ergänzt: „Das katastrophale Fischsterben an der Oder in diesem Sommer hat das Thema in Brüssel auf der politischen Agenda präsent werden lassen.“ Wie ein Gutachten im Auftrag der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament aus dem Frühjahr dieses Jahres zeigt, verstößt das von polnischer Seite vorangetriebene Vorhaben gegen das Verschlechterungsverbot der EU-Wasserrahmenrichtlinie und ist mit den Vorgaben zum europäischen Gebietsschutz der FFH-Richtlinie nicht vereinbar.

Auch in Polen gibt es massive Kritik: „Die PiS-Regierung in Warschau ist interessiert, die Oder von Wasserstraßenklasse 3 auf 5a auszubauen. Das zeigen die Pläne, die auf den Webseiten des polnischen Infrastrukturministeriums zu finden sind, deutlich. Auch Staustufen für die Oder sind dort eingezeichnet, u.a. bei Slubice. Ein Alleingang ist aber mit Deutschland als unmittelbarem Nachbarn überhaupt nicht machbar“, berichtet Premyslaw Slowik, Vorsitzender der polnischen Grünen (Partia Zieloni).

Beata Bilska (Vorstandsmitglied der Polnischen Grünen für Internationale Angelegenheiten) mahnt: „Polen ist Mitglied der EU und muss sich auch an die gemeinsamen Regeln halten. Es kann nicht sein, dass die national-konservative Regierung Geld von EU, Europarat und Weltbank für den Hochwasserschutz einstreicht, diesen aber sogar verschlechtert und in Wirklichkeit die ganzjährige Schiffbarkeit umsetzten will.“

Dass die Befürchtungen der deutschen und polnischen Grünen nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigt ein brisanter Bericht der renommierten polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza aus dem Jahr 2020. Darin brüstet sich unter anderem der ehemalige Staatssekretär im polnischen Umweltministerium Stanislaw Gawlowski damit, dass es ihm gelungen sei, Gelder von der Weltbank unter Vorspielung falscher Tatsachen bekommen zu haben: „Wir hatten keine Chance, die Schifffahrt im Einklang mit dem EU-Recht und dem Umweltschutz zu finanzieren, aber wir haben es geschafft, ein Darlehen der Weltbank für den Hochwasserschutz zu bekommen. [...] Ich betrachte das als meinen Erfolg. Aber als die PiS an die Macht kam, haben sie mir das fast kaputt gemacht. [...] Sie begannen damit zu prahlen, dass sie die Schifffahrt fördern würden. Ich hatte Angst, dass die Weltbank uns den Kredit entziehen würde“, hieß es von Gawlowski laut der Zeitung. Ähnlich hatte sich in demselben Artikel auch Andrzej Kreft, der inzwischen verstorbene, ehemalige Leiter der damaligen Stettiner Wasserbehörde geäußert. Beide Politiker hatten maßgeblichen Anteil am Zustandekommen des deutsch-polnischen Abkommens von 2015 und dem Kredit der Weltbank. Marek Gróbarczyk, stellvertretender polnischer Infrastrukturminister, äußerte sich kurz nach der Oder-Katastrophe am 29. August auf Twitter wie folgt: „Die Modernisierung der Oder durch die Konstruktion von Staustufen und ein Container-Terminal ist unsere Priorität. Kein Schritt zurück.“

 

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