Handel und Globale Gerechtigkeit

TiSA - Neue Erkenntnisse aus den Veröffentlichungen von Wikileaks

In der Woche von 6. bis 10 Juli fand eine erneute Verhandlungsrunde über das Dienstleistungsabkommen TiSA (Trade in Services Agreement) in Genf statt. Dabei soll ein sogenanntes "Stock-Taking" durchgeführt werden. Das bedeutet, dass im Überblick über alle Bereiche der Verhandlung gesprochen wird - mit dem Ziel schnelle Fortschritte zu erreichen und grundsätzliche Einigungen  zu finden.  Im Vorfeld der Verhandlungsrunde hat die Onlineplattform wikileaks.org  viele der Verhandlungsdokumente und Analysen dazu veröffentlicht. Gerade der Kerntext des Abkommens und der Anhang zur öffentlichen Beschaffung waren davor noch nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Ein Überblick:

Kerntext des Abkommens

Im Kerntext des Abkommens werden die allgemeinen Bestimmungen für das Abkommen festgelegt. Auch breite Ausnahmen von Dienstleistungen, welche durch das Abkommen nicht berührt werden sollen, wie zum Beispiel die öffentlichen Dienstleistungen, werden hier festgelegt. An diesem Kerntext  gibt es viel zu kritisieren:

Die Bestimmungen werden es  Regierungen erschweren ihre Regulierungshoheit durch Gesetze, Regulierungen und Verwaltungsentscheidungen umzusetzen. So ist zum Beispiel die Ausnahme für öffentliche Dienstleistungen sehr schwach. Nicht alle öffentlichen Dienstleistungen werden geschützt, sondern nur jene, die in einer öffentlichen Monopolstellung unentgeltlich angeboten werden. Das sind allerdings sehr wenige. Volkshochschulen würden zum Beispiel nicht darunter fallen und könnten nicht geschützt werden.

Auch die Ausnahmen für das Gesundheitssystem sind mangelhaft und  Umweltauflagen sind schwammig formuliert. Es sind dieselben Formulierungen, die auch in den Verträgen der Welthandelsorganisation verwendet werden. Sie haben aber bisher nicht dazu beitragen können einen effektiven Schutz dieser Bereiche zu gewährleisten. So wurde schon 40 Mal gegen die WTO-Bestimmungen geklagt und diese konnten bisher erst einmal einer Klage standhalten. Es ist also nicht zu erwarten, dass die Ausnahmebestimmungen die Umwelt effektiv schützen können.

Der vorgeschlagene Vertragstext geht auch weiter als die bestehenden Regularien in den Verträgen über Dienstleistungsliberalisierung der Welthandelsorganisation (GATS - General Agreement on Trade in Services). In der WTO müssen die Staaten noch alle Dienstleistungsbereiche, die sie liberalisieren wollen, auflisten (sogenannte Positivliste). Demgegenüber steht im TiSA-Abkommen eine sogenannte Hybrid-Liste. Hier müssen die Staaten zwar positiv auflisten, für welche Dienstleistungsbereiche sie ihren internen Markt öffnen möchten. Einmal geöffnet sollen dann allerdings allen Marktteilnehmenden die gleichen Rechte zukommen und es können zum Beispiel  keine kleinen lokalen Unternehmen mehr gefördert werden, wenn die Förderung nicht auch internationalen Unternehmen zu Gute kommt. Falls doch inländische Branchen anders behandelt werden sollen, dann muss das explizit in einer sogenannten Negativliste gelistet sein.

Ein weiteres neues Element sind die Sperrklinkenklausel und die Stillhalteklausel. Die Staaten können sich vorbehalten einzelne Branchen von den Liberalisierungsbestimmungen auszunehmen. Dabei gilt allerdings: Wenn einmal eine Branche für die Liberalisierung geöffnet worden ist, dann gibt es kein Zurück mehr.  So entsteht über die  Jahre eine sukzessive Liberalisierung von vielen Bereichen.

Öffentliche Beschaffung

Die Vorschläge zur den Regelungen zur öffentlichen Beschaffung durch das TiSA-Abkommen gehen sehr weit.  Öffentliche Aufträge  müssen nach den Regeln des europäischen Binnenmarktes auch europaweit ausgeschrieben werden. Doch in der EU gibt es  Schwellenwerte unterhalb derer keine solch breite Ausschreibung erfolgen muss. Dies soll sich mit dem TiSA-Abkommen ändern und alle öffentlich ausgeschriebenen Aufträge sollen für alle TiSA-Teilnehmerstaaten ausgeschrieben werden, egal wie hoch die Ausschreibungssumme ist. Problematisch dabei ist nicht nur der immense bürokratische Aufwand, sondern auch die Tatsache, dass die Förderung von regionalen Unternehmen noch stärker erschwert wird.

Hier sind die Verhandlungstexte und die Analysen zu finden: https://wikileaks.org/tisa/