Meeresschutz und Fischerei

FRAGEN UND ANTWORTEN zu BREXIT und Fischerei

1. Warum ist gerade die Fischerei von so großer Brisanz im Brexit-Streit?

Der Fischereisektor mag gesamteuropäisch wirtschaftlich nicht sehr bedeutend sein, in einigen Küstenregionen ist der Fischfang jedoch Haupteinkommensquelle und sowohl kulturell als auch sozial wichtig. Die Debatte ist deshalb enorm emotional, dazuhin fürchten vor allem kleine EU-Fischereibetriebe, unter die Räder zu kommen, sollten sie keinen Zugang mehr zu Fanggebieten in britischen Hoheitsgewässern haben.

Gleichzeitig exportiert das Vereinigte Königreich etwa 80% seines Fischfangs, den größten Teil davon in die EU. Dies wäre ohne Zugang zum europäischen Binnenmarkt natürlich nicht möglich. Eine solch enge, über Jahrzehnte gewachsene Verbindung lässt sich nicht so einfach auf neue Füße stellen. Ein Abkommen ist also unbedingt nötig - gleichzeitig ist ein umfassendes Handelsabkommen bis zum Ende der Übergangsperiode, also bis zum 31.12.2020, nicht sehr realistisch. Fischerei ist daher einer der Sektoren, für den prioritär und vor Ende des Jahres eine Einigung gesucht wird.

2. Wie realistisch ist ein Fischerei-Abkommen bis 1. Juli 2020, das es meinen Informationen nach bis zu diesem Datum geben soll?

In der Tat haben sich beide Parteien in der gemeinsamen Erklärung zum Ausstiegsabkommen darauf verständigt, ein Fischereiabkommen bis zum 1. Juli 2020 anzustreben. Das Datum ist jedoch nicht verpflichtend - und als es Ende 2018 erstmals anvisiert wurde, war darin natürlich nicht eingepreist, dass es noch über ein Jahr dauert würde bis es tatsächlich ein Brexit-Datum geben würde.

Aus regulatorischer Sicht wäre eine schnelle Einigung wichtig, da Mitte des Jahres die wissenschaftlichen Empfehlungen für die Fangmengen betroffener Fischbestände fertiggestellt werden. Diese sind die Grundlage für die Festlegung der Fangquoten. Es ist natürlich schwierig, Fangquoten festzulegen, ohne die grundsätzliche Basis für den Fischfang ab 2021 geklärt zu haben. Doch ob der 1. Juli gehalten werden kann, steht in den Sternen.

3. Was erwartet sich die EU-27 von diesem Abkommen, was Großbritannien?

Aktuell liegen die Vorstellungen noch sehr weit auseinander. Für die EU-27 ist es wichtig, auch weiterhin in britischen Gewässern fischen zu können, um die betroffenen Fischereibetriebe zu unterstützen. Das Vereinigte Königreich möchte hingegen aus ähnlicher Argumentation heraus die Fischbestände, die sich in ihren Hoheitsgewässern befinden, alleine befischen. Diese Forderung fußt leider auf der falschen Annahme, dass britischen Fischerinnen und Fischern allein durch einen exklusiven Zugang zu britischen Gewässern geholfen wäre. Der gefangene Fisch muss natürlich auch noch verkauft werden. Die Frage des Zugangs zum europäischen Binnenmarkt für diese Produkte ist also neben der Frage, wer wo fischen kann, zentral.

In der ganzen Debatte um Fischfangquoten und Marktzugänge kommt jedoch ein Punkt zu kurz, der für ein Abkommen aus unserer Sicht ganz grundlegend sein muss: Es darf keine Rückschritte bezüglich nachhaltiger Bewirtschaftungsmethoden, bezüglich ökologischer Ziele geben. Der letztjährige IPCC-Bericht ist hier sehr deutlich. Gerade in Zeiten des Klimawandels gilt es, jeden zusätzlichen Stress auf das Ökosystem Meer zu verhindern. Klare ökologische Leitlinien für Fischerei sind das A und O.

4. Gibt es schon Einschätzungen, in welche Richtung ein Fischereiabkommen gehen wird? Was soll drin stehen? 

 

Die Vorbereitungen zu den Verhandlungen laufen bereits. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir aber noch nicht einschätzen, wie ein Fischereiabkommen aussehen wird.

5. Wenn es zu keinem Abkommen kommt: Bedeutet das, dass die EU nicht mehr in britischen Gewässern fischen darf und die Briten nicht mehr in EU-Gewässern?

In der Tat könnte es zu dieser Situation kommen. Sollte bis Ende 2020 kein Abkommen verhandelt werden und die britische Regierung Fischern aus der EU-27 den Zugang verwehren, müsste die EU natürlich darauf reagieren. Das könnte auch Konsequenzen für den Zugang von Fischprodukten aus dem Vereinigten Königreich zum europäischen Binnenmarkt bedeuten. Das muss aber nicht der Fall sein, es liegt in unser aller Interesse, zu einer Einigung zu kommen.

 

6. Wohin will die EU-27 in diesem Fall ausweichen bzw. woher will die EU den Fisch importieren?

Die Boote, die derzeit in Gewässern des Vereinigten Königreichs fischen, können nicht einfach auf andere Fischgründe ausweichen. Und auch wenn sie es könnten, wäre die zu fischende Gesamtmenge im „neuen“ Gebiet aus guten Gründen beschränkt. Dort fischen auch bereits andere Parteien, mit denen dann konkurriert werden müsste. Auf der anderen Seite gilt: Wenn es kein Handelsabkommen gibt, fallen für Exporte des Vereinigten Königreichs in die EU WTO-Tarife an. Das hätte natürlich Auswirkungen darauf, von wo die EU wie viel Fisch importiert und würde sicherlich der britischen Fischindustrie schaden. Entsprechend gibt es auf beiden Seiten großes Interesse an einem Abkommen.

7. Was wird sich für europäische bzw. britische Fischereibetriebe nach dem Brexit bzw. nach der Übergangsphase ändern?

Im Idealfall so wenig wie möglich. Das bedeutet klare Fischfangquoten auf wissenschaftlicher Basis, gemeinsame Bewirtschaftung der Bestände, gemeinsam vereinbarte Umweltgesetzgebung für Nordsee und Nordostatlantik. Alles andere würde für die Fischerei - aber auch für die betroffenen Ökosysteme - zumindest für einige Jahre nichts Gutes bedeuten. Dafür können die Verhandlungen im Notfall auch länger dauern als bis Juli 2020.

 

8)            Welche Bedeutung wird ein Abkommen bzw. kein Abkommen für die Ökologie der Meere haben?

 

Sollte ein gutes Abkommen verhandelt werden, ändert sich wenig. Was nicht bedeutet, dass aktuell alles gut ist. Viele Fischbestände sind überfischt und Regelungen zum Schutz der Ökosysteme sind immer noch zu lasch - daran müssen wir arbeiten. Doch ohne Abkommen wird sich die Situation mit großer Sicherheit verschlimmern, gerade auch, da dann zu erwarten ist, dass sich die Regelungen in den verschiedenen Gebieten über die Zeit immer weiter auseinanderentwickeln.